+49 (0)2235 691994 holger.wendland@datevnet.de
Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.09.2015, X R 2/13
  1. Die dem Sozialrecht entlehnten Begriffe des § 3 Nr. 20 GewStG sind nach sozialrechtlichen Maßstäben auszulegen.
  2. Ein ambulantes Rehabilitationszentrum ist weder ein Krankenhaus i.S. des § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG noch eine Einrichtung zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen i.S. des § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG.
  3. Rehabilitation und Pflege sind wesensverschieden. § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG betrifft allein die Institutionen der Pflege.
  4. Einer Rückwirkung von § 3 Nr. 20 Buchst. e GewStG i.d.F. des Kroatien-AnpG auf Erhebungszeiträume vor 2015 stehen die Anwendungsvorschriften des Gesetzes entgegen.
  5. Die Gewerbesteuerpflicht einer ambulanten Rehabilitationseinrichtung war mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
  6. Eine erweiternde Auslegung von R 3.20 Abs. 4 Satz 1 GewStR kommt nicht in Betracht.

Anmerkung:

Von der Gewerbesteuer befreit sind (Stand 01.01.2014 auf Basis Urteil):

20. Krankenhäuser, Altenheime, Altenwohnheime, Pflegeheime, Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen, wenn

  1. diese Einrichtungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden oder
  2. bei Krankenhäusern im Erhebungszeitraum die in § 67 Abs. 1 oder 2 der Abgabenordnung bezeichneten Voraussetzungen erfüllt worden sind oder
  3. bei Altenheimen, Altenwohnheimen und Pflegeheimen im Erhebungszeitraum mindestens 40 Prozent der Leistungen den in § 61 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder den in § 53 Nr. 2 der Abgabenordnung genannten Personen zugute gekommen sind oder
  4. bei Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und bei Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen im Erhebungszeitraum die Pflegekosten in mindestens 40 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind

    Entscheidend ist, dass alle Begriffe des § 3 Nr.20 GewStG strikt nach sozialrechtlichem Verständnis, insbesondere nach den Definitionen des SGB V, auszulegen sind. Die die streitbefangene Einrichtung als ambulante Einrichtung die seinerzeitigen Voraussetzungen des § 3 Nr. 20 GewStG nicht erfüllte, durfte die Gewerbesteuerbefreiungsvorschrift nicht angewendet werden. Auch eine erweiterte Auslegung kam für den BFH nicht in Betracht. Die Gesetzesänderung ab 2015 durch die Einfügung des Buchstaben e) ermöglicht seit dem 01.01.2015 die Anwendung der Gewerbesteuerbefreiungsvorschrift auch für ambulante Einrichtungen, soweit sie die sozialrechtlichen Voraussetzungen erfüllen:

  5. bei Einrichtungen zur ambulanten oder stationären Rehabilitation die Behandlungskosten in mindestens 40 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind. Satz 1 ist nur anzuwenden, soweit die Einrichtung Leistungen im Rahmen der verordneten ambulanten oder stationären Rehabilitation im Sinne des Sozialrechts einschließlich der Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder erbringt