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Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin ließ keinen Zweifel daran, dass sie es ernst meint mit ihrem Anliegen, Praxisumzüge der Berliner Ärzte künftig restriktiv zu handhaben: Nachdem das Sozialgericht Berlin dem Anliegen der KV, den Umzug einer Psychotherapeutin zu unterbinden, eine Absage erteilte, zog die KV in die Sprungrevision vor das Bundessozialgericht (BSG). Sie kann jetzt einen Erfolg feiern, der vielen niedergelassenen Ärzten Sorge bereiten wird.

Am Mittwoch nämlich urteilte der 6. Senat des Kasseler Bundesgerichts, dass die KV rechtens gehandelt habe (AZ B 6 KA 31/15 R). Und widersprach damit dem Urteil der Vorinstanz.

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin ließ keinen Zweifel daran, dass sie es ernst meint mit ihrem Anliegen, Praxisumzüge der Berliner Ärzte künftig restriktiv zu handhaben: Nachdem das Sozialgericht Berlin dem Anliegen der KV, den Umzug einer Psychotherapeutin zu unterbinden, eine Absage erteilte, zog die KV in die Sprungrevision vor das Bundessozialgericht (BSG).

Sie kann jetzt einen Erfolg feiern, der vielen niedergelassenen Ärzten Sorge bereiten wird. Am Mittwoch nämlich urteilte der 6. Senat des Kasseler Bundesgerichts, dass die KV rechtens gehandelt habe (AZ B 6 KA 31/15 R). Und widersprach damit dem Urteil der Vorinstanz.

„Ärzte oder Psychotherapeuten dürfen ihren Praxissitz nur verlegen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen.“ So leitete das Gericht in einer Mitteilung die Zusammenfassung des Urteils ein, und machte damit deutlich, dass die Entscheidung weit über den Fall, der gestern verhandelt wurde, hinausreicht. Konkret ging es um das Anliegen einer Psychotherapeutin, die ihren Praxissitz um etwa fünf Kilometer verlegen wollte, vom Bezirk Neukölln mit einem psychotherapeutischen Versorgungsgrad von 88 Prozent nach Tempelhof-Schöneberg, wo es eine Quote von 344 Prozent gibt. Beide Bezirke liegen im gleichen Planungsbereich, nämlich Gesamt-Berlin.

Zum April 2013 hatte die Therapeutin die Praxis als Nachfolgezulassung übernommen, ein halbes Jahr später beantragte sie die Verlegung. Der Zulassungsausschuss lehnte das Ansinnen ab, mit Verweis auf den höheren Versorgungsgrad in Tempelhof-Schöneberg. Grundlage dafür ist der Letter of Intent (LOI), der 2013 zwischen der Senatsverwaltung für Gesundheit, der KV und den Kassen getroffen wurde. Der LOI besagt im Grundsatz, dass Umzüge nur noch stattfinden dürfen, wenn sie in einen in der Fachgruppe schlechter versorgten Bezirk erfolgen.

Vor dem Berufungsausschuss der KV ging die Therapeutin dann allerdings erfolgreich gegen die Entscheidung vor. In seiner Entscheidung verwies der Ausschuss darauf, dass die Praxis nicht weit weg von ihrem alten Standort ziehe, die alten Patienten mit öffentlichen Verkehrsmitteln also problemlos auch dort hinkämen. Dagegen wiederum klagte dann die KV vor dem Sozialgericht, das zwar eine mangelhafte Qualität der Internetrecherche des Berufungsausschuss anmerkte, grundsätzlich aber darin übereinstimmte, dass die Entfernung von alter zu neuer Praxis keine relevante Einschränkung bedeute. Die Klage der KV wurde also abgewiesen.

Kritik am Vorgehen der KV Berlin

Das BSG hat dem in seinem Urteil nun widersprochen, der Berufungsausschuss muss deswegen erneut entscheiden. So gebe es zwar einen Beurteilungsspielraum, den habe der Berufungsausschuss allerdings „überschritten“, wie das Gericht mitteilte. „Er hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers verhindert werden soll, dass sich die Versorgung in Teilen von eigentlich gut versorgten großen Planungsbereichen durch Praxisverlegungen verschlechtert“. Einer Verlegung des Praxissitzes vom schlechter zum besser versorgten Bezirk stünden „in aller Regel Versorgungsgesichtspunkte entgegen“.

Das Urteil hat grundsätzlich Signalwirkung für das gesamte Bundesgebiet, allerdings nur dort, wo es überhaupt unterhalb eines Planungsbereichs schon lokale Berechnungen der Versorgungsgrade pro Fachgruppe gibt. Diese Möglichkeit wurde den KVen durch das Versorgungsstrukturgesetz gegeben, Berlin sieht sich hier mit dem LOI als Vorreiter. Für die KV Berlin ist der Sieg vor dem BSG einer, mit dem sie gegenüber den KV-Ärzten in der Hauptstadt deutlich macht, dass sie den LOI streng exekutieren will. Bei einer Pressekonferenz im Juli zum LOI betonte KV-Vizevorstand Dr. Uwe Kraffel, dass man bereits einen Prozess vor dem Sozialgericht gegen einen KV-Arzt gewonnen habe – allerdings gibt die KV auf änd-Nachfrage bis heute keine Auskunft darüber, um welches Urteil es sich dabei handeln soll.

„Die KV geht mit einer immer härteren Gangart gegen die eigenen Kollegen vor“, beklagt jetzt auch der Vorsitzende des Berlin-Brandenburger NAV-Virchowbunds, Dipl.-Med. Mathias Coordt. Der Berufungsausschuss habe „ja eine durchaus vernünftige Entscheidung getroffen und begründet, die KV jedoch hat zum wiederholten Male gegen die Interessen der Vertragsärzte aus anderen Überlegungen dagegen geklagt.“ Es zeige sich erneut eine grundsätzliche Problematik des LOI, sagt er. „Dass die Bezirke keine geeignete Abgrenzung sind für die Beurteilung der Versorgungslage.“ So mag die Versorgung in Neukölln und Tempelhof-Schöneberg, beide von der Größe einer mittleren Großstadt, sehr unterschiedlich sein, „das spiegelt aber nicht die Lage in den einzelnen Stadtteilen wieder, die ja direkt nebeneinander liegen können und verkehrstechnisch gut verbunden sind“.

Tatsächlich scheint das BSG das in seinem Urteil auch berücksichtigt zu haben. Es könne „nicht ganz ausgeschlossen werden“, heißt es in der Mitteilung, „dass sich die Versorgungslage mit Blick auf die konkreten Praxisstandorte anders darstellt, als das nach den allgemeinen Versorgungsgraden in den Bezirken anzunehmen ist“. Es sei nun Aufgabe des Berufungsausschusses, dazu „nähere Feststellungen zu treffen“. NAV-Chef Coordt sieht in dem Urteil deswegen auch keinen generellen Freifahrtschein für die KV Berlin. „Grundsätzlich hat das Gericht aus meiner Sicht erst einmal nur gesagt, dass der Berufungsausschuss sich zu viel Ermessensspielraum zugestanden hat.“ Es sei nun Aufgabe der KV, „eine Bedarfsplanung auf den Weg zu bringen, die die tatsächliche Versorgungssituation, den Versorgungsbedarf, die tatsächliche Inanspruchnahme und die zukünftige soziodemografische Entwicklung der Berliner Bevölkerung abbildet“.

Die KV Berlin hat sich am Donnerstag gegenüber dem änd geäußert: „Das Urteil des BSG ist ein voller Erfolg für die KV Berlin und bestärkt unsere Haltung zu Praxissitzverlegungen”, erklärte die KV auf Anfrage. „Dies ist ein weiterer Schritt zu einer gerechteren Ärzteverteilung in Berlin.”

Quelle: www.facharzt.de/a/a 170466/