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Grundsätzlich 3 Jahre Tätigkeit im Rahmen der Nachbesetzung um Zulassung zu erhalten

Urteil des Bundessozialgerichts vom 04.05.2016, B 6 KA 21/15 R

Vorinstanzen: SG München – S 43 KA 1437; 11LSG München – L 12 KA 31/14

Zwischen den Beteiligten steht die Nachbesetzung einer Viertel Arztstelle im Streit.

Der HNO-Arzt Dr. O. verzichtete im September 2009 auf seine (volle) Zulassung, um bei dem klagenden MVZ als angestellter Arzt mit einem Tätigkeitsumfang von 23,5 Wochenstunden (3/4-Stelle im Sinne der Bedarfsplanungs-Richtlinie) tätig zu werden.

Etwa 1½ Jahre nachdem Dr. O. auf seine Zulassung zugunsten der ¾-Anstellung im MVZ verzichtet hatte, schied er aus dem MVZ aus.

Die Stelle wurde in einem ersten Schritt mit einer Viertel Stelle nachbesetzt. Zur weiteren Nachbesetzung beantragte die Klägerin die Genehmigung zur Anstellung im Umfang einer ¾ Stelle.

Der Zulassungsausschuss erteilte der Klägerin daraufhin die Genehmigung zur Anstellung im Umfang lediglich einer halben Stelle.

Im Übrigen lehnte er den Antrag ab. Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte zurück.

 

Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Auf die Berufungen des Beklagten und der zu 1 beigeladenen KÄV hat das LAG München das Urteil des SG München aufgehoben und die Klage abgewiesen. Weil Dr. O. seine Tätigkeit als Angestellter des MVZ von Anfang an nur im Umfang einer ¾ Stelle ausgeübt habe, könne die Nachbesetzung seiner Stelle ebenfalls nur in diesem Umfang erfolgen. Dass Dr. O. zuvor auf seine volle Zulassung verzichtet hatte, ändere daran nichts. Nachdem die Stelle des Dr. O. bereits zu ¼ nachbesetzt worden sei, sei entgegen der Auffassung des Klägers nur noch eine halbe Stelle und nicht eine ¾ Stelle vakant.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Revision, zu deren Begründung sie sich im Wesentlichen auf die Rechtsprechung des BSG bezieht, nach der sich zwar die Bedarfsplanung mit ¼-Arztstellen befasse, das Zulassungsrecht dagegen nur ganze oder halbe Teilnahmeberechtigungen kenne, so dass unbesetzte ¼-Arztstellen zeitlich unbegrenzt durch das MVZ nachbesetzt werden könnten.

Die Revision der Klägerin hatte vor dem BSG keinen Erfolg.

Das LSG München hat die Entscheidung des beklagten Berufungsausschusses, die Nachbesetzung im Umfang einer weiteren Viertel Arztstelle abzulehnen, zu Recht nicht beanstandet. Weil Dr. O. nach dem Verzicht auf seine (volle) Zulassung nur im Umfang einer ¾ Arztstelle in dem MVZ tätig geworden ist, kann nach seinem Ausscheiden auch nur eine ¾ Arztstelle nachbesetzt werden.

Die Nachbesetzung der Stelle in einem MVZ kann nur dann und nur insoweit erfolgen, wie der Vertragsarzt tatsächlich als angestellter Arzt im MVZ tätig geworden ist. Damit wird auch verhindert, dass die Entscheidungen, die die Zulassungsgremien bei der Nachbesetzung im Falle der Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit zu treffen haben, umgangen werden, indem ein Arzt zwar zunächst erklärt, auf seine Zulassung zu verzichten, „um in einem MVZ tätig zu werden“, die Tätigkeit dort tatsächlich aber nicht antritt, um dem MVZ sogleich die „Nachbesetzung“ durch einen selbst gewählten Angestellten zu ermöglichen. Die zu fordernde Absicht des (ehemaligen) Vertragsarztes, im MVZ tätig zu werden, wird sich – wie das BSG für die Zukunft klarstellt – grundsätzlich auf eine Tätigkeitsdauer im MVZ von drei Jahren beziehen müssen, wobei die schrittweise Reduzierung des Tätigkeitsumfangs um ¼ Stelle in Abständen von einem Jahr unschädlich ist. Bereits bestandskräftig erteilte Anstellungsgenehmigungen bleiben davon unberührt und können auch Grundlage einer späteren Stellennachbesetzung werden. Wenn ein Vertragsarzt, der auf seine Zulassung verzichtet, um in einem MVZ tätig zu werden, seine Tätigkeit im MVZ allerdings – wie vorliegend – von Anfang an nur im Umfang einer ¾ Stelle antritt, dann kann auch nur diese ¾ Stelle nachbesetzt werden.

Urteil des Bundessozialgerichts vom 04.05.2016, B 6 KA 28/15 R

SG München – S 38 KA 305/13; LSG München – L 12 KA 175/14

Auch in diesem Verfahren steht zwischen den Beteiligten die Nachbesetzung einer ¼-Arztstelle im Streit.

Zum 01.04.2007 verzichtete Dr. P., der bis dahin als Vertragsarzt in eigener Praxis tätig war, auf seine Zulassung, um bei der Klägerin mit 40 Wochenstunden angestellt zu werden. Zum 01.04.2010 reduzierte er seine Tätigkeit auf 30 Stunden und zum 01.10.2011 auf 20 Stunden. Schließlich beendete er seine Tätigkeit zum 30.09.2012 ganz. Bei der ersten Reduzierung von 40 auf 30 Wochenstunden sowie bei der Beendigung der Tätigkeit von Dr. P. hat der Zulassungsausschuss die Genehmigung zur Nachbesetzung erteilt. Bei der zweiten Reduzierung des Dr. P. von 30 auf 20 Wochenstunden hat der Zulassungsausschuss die Genehmigung hingegen nicht erteilt. Die Klägerin hatte zur Nachbesetzung dieses Arztstellenanteils am 23.01.2011 zunächst einen Antrag auf Genehmigung der Anstellung von Frau T. im Umfang von 10 Wochenstunden gestellt. Diesen Antrag nahm die Klägerin im September 2012 mit dem Hinweis zurück, die Nachbesetzung mit Frau T. scheitere aus formellen Gründen. Gleichzeitig beantragte sie, die Erhöhung des Tätigkeitsumfangs des bereits bei ihr beschäftigten Dr. F. von 10 auf 20 Wochenstunden zu genehmigen. Den Widerspruch der Klägerin gegen die Ablehnung dieses Antrags wies der Beklagte zurück.

Das SG München gab der Klage statt; das LSG München bestätigte auf die Berufung der Beigeladenen zu 1) das Urteil des Sozialgerichts. Zur Begründung hat das Landessozialgericht ausgeführt, dass für die Nachbesetzung von Arztstellen grundsätzlich eine Höchstfrist von sechs Monaten angenommen werde. Die Frist gelte aber ausnahmsweise nicht, wenn nur eine Arztstelle mit einem Beschäftigungsumfang von 1/4 zur Verfügung stehe. Da Vakanzen für Zulassungen und deren Entziehung erst im Umfang einer hälftigen Zulassung bzw. Arztstelle relevant seien, sei das Recht auf Nachbesetzung einer ¼-Arztstelle zeitlich nicht begrenzt. Die von der Beigeladenen zu 1) vorgenommene Differenzierung zwischen originären und durch Teilung bei Verbleib des Arztes im MVZ entstandenen ¼-Arztstellen teile das LSG nicht.

Mit seiner Revision macht der beklagte Berufungsausschuss geltend, aus der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 19.10.2011 – B 6 KA 23/11 R) ergebe sich, dass eine fristunabhängige Nachbesetzung allein dann in Betracht komme, wenn der vorher auf der ¼-Stelle tätige Arzt beim Antrag auf Nachbesetzung bereits komplett ausgeschieden sei.

Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1) hatten vor dem BSG keinen Erfolg.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Genehmigung der Erhöhung des Beschäftigungsumfangs des bei ihr tätigen Dr. F. im Umfang einer Viertelstelle, denn die Voraussetzungen für eine Nachbesetzung im Umfang einer Viertelstelle lagen vor. Insbesondere hat die Klägerin den Antrag rechtzeitig gestellt. Die Frist von sechs Monaten für die Nachbesetzung von Arztstellen ist zwar nicht eingehalten worden, muss aber nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG bei der Nachbesetzung von lediglich Viertel-Arztstellen auch nicht beachtet werden. Allerdings wird an dem Grundsatz, dass Viertel-Arztstellen in einem MVZ unbegrenzt offen gehalten werden dürfen, für die Zukunft nicht festgehalten. Die bisherige Annahme des BSG, es handele sich bei dem Offenhalten von Viertel-Stellen um ein seltenes und bedarfsplanungsrechtlich eher marginales Phänomen, das über eine Missbrauchsprüfung im Falle der gezielten Kumulation von solchen Beschäftigungsanteilen hinreichend bewältigt werden kann, ist nicht mehr gerechtfertigt. Es kann nicht ausgeschlossen werden , dass durch größere MVZ oder durch die Kumulation von Viertelstellen mehrerer MVZ Beschäftigungskontingente doch in einem für die Entsperrung eines Planungsbereichs relevanten Umfang „gebunkert“ werden. Aus diesem Grund verliert ein MVZ sein Nachbesetzungsrecht, wenn es über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr überhaupt keine ernsthaften und aussichtsreichen Bemühungen zur Nachbesetzung eine Viertel-Stelle unternimmt und nicht belegen kann, dass und weshalb trotz des Ablaufs eines Jahres zeitnah noch mit einer Nachbesetzung mit diesem Beschäftigungsumfang gerechnet werden kann. Auch unter Beachtung dieser modifizierten Rechtsprechungsgrundsätze liegen die Voraussetzungen für die Genehmigung der Anstellung des Dr. F. im Umfang eines weiteren Viertels vor, denn die Klägerin hat den Antrag auf Erhöhung des Beschäftigungsumfangs von Dr. F. innerhalb eines Jahres nach der zweiten Reduzierung des Beschäftigungsumfangs von Dr. P. gestellt.

Hinweise: Deutsches Anwaltsinstitut, Abtl. Medizinrecht, Referenten Prof. Dr.Plageman, Dr. Ingo Pflugmacher am 20.05.16: Urteil gilt für MVZ als auch BAG, EP etc, da die Rechtsgrundlage die gleiche ist. Drei Jahre resultieren aus der aktuellen gesetzlichen Regelung des § 103 Abs. 3a SGB V.

Die Urteile finden Anwendung in allen Fällen, die durch Zulassungsausschüsse noch nicht genehmigt sind. Was genehmigt ist, wird so vollzogen, wie geplant. Medizinrechtler haben zur Zeit zahlreiche anhängige Beratungsfälle, in denen Sie aktiv eingreifen mussten, da die drei Jahre (natürlich) nicht vorgesehen waren.   

Frage ist hierbei welcher „Stichtag“ für die Anwendung dieser drei Jahre gilt; hierbei dürfte es zu KV-spezifischen Unterschieden kommen; einige wollen akkurat die Regelung ab sofort anwenden, andere erst einmal die Urteilsgründe abwarten und studieren.

Es soll KVen geben, die das BMG/Berlin deshalb einschalten wollen und zitieren in abgewandelter Form Asterix mit „Die spinnen die Römer!“

Mit den ausführlichen Urteilsgründen ist in den nächsten drei Monaten zu rechnen.