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Tilgung der Kaufpreisverpflichtung eines Neugesellschafters aus künftigen Gewinnen der Gesellschaft

Tilgung der Kaufpreisverpflichtung eines Neugesellschafters aus künftigen Gewinnen der Gesellschaft

Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.10.2015, VIII R 47/12
  1. Veräußerungsentgelt für die Übertragung eines Teilmitunternehmeranteils gemäß § 16 Abs. 2 EStG ist auch eine der Höhe nach feststehende Kaufpreisforderung, die der Neugesellschafter während des Bestehens der Gesellschaft durch Verzicht auf Teile des ihm nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zustehenden Gewinns zugunsten des Altgesellschafters oder bei vorzeitiger Beendigung der Gesellschaft im Rahmen einer Ratenzahlungsverpflichtung zu erfüllen hat.
  2. Dem Neugesellschafter sind trotz des Verzichts Gewinne in Höhe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels zuzurechnen, da die Zuweisung höherer Gewinnanteile an den Altgesellschafter der unmittelbaren Zahlung der Entgelte außerhalb des Gesellschaftsvermögens gleichsteht.

Der Veräußerer hatte sich seine ihm zugewiesenen prozentualen „Gewinnverschiebungen“ mit einem absoluten Geldbetrag (Mindestkaufpreiszahlung) absichern lassen. Hierdurch wurde auch ertragsteuerlich ein Veräußerungspreis definiert.

Ungewiss war während des Bestehens der Gesellschaft nur, in welcher Höhe die Erwerber Tilgungsleistungen erbringen und bis wann die Kaufpreisforderungen erfüllt sein würden. Von der Frage, ob eine Übertragung gegen ein Veräußerungsentgelt und damit entgeltlich erfolgt, ist die Frage abzugrenzen, ob der Veräußerungsgewinn aus einem Veräußerungsgeschäft sofort oder erst mit Zufluss der Kaufpreiszahlungen realisiert wird.

Der Tatbestand der Veräußerung ist mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums auf den Erwerber verwirklicht. In diesem Zeitpunkt entsteht der Veräußerungsgewinn, und zwar unabhängig davon, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann der Verkaufserlös dem Veräußerer tatsächlich zufließt (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl. II 1993, 897, m.w.N.; BFH-Urteil in BFHE 226, 62, BStBl. II 2010, 182).

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz stellt die Realisation des Veräußerungsentgelts bei gewinnabhängigen Kaufpreisforderungen dar, die vom Veräußerer erst im Zuflusszeitpunkt erzielt werden (s. BFH-Urteile in BFHE 199, 198, BStBl. II 2002, 532; vom 6. Mai 2010 IV R 52/08, BFHE 229, 279, BStBl. II 2011, 261, unter Rz 29; in BFHE 242, 58, BStBl. II 2013, 883, unter Rz 30).

Kein Anspruch auf „Verlängerung“ der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung nach Verzicht wegen Praxisnachfolge

Kein Anspruch auf „Verlängerung“ der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung nach Verzicht wegen Praxisnachfolge

Beschluss des SG Marburg vom 23.12.2015, Az.: S 12 KA 815/15 ER

Das „Fortführung“ einer Praxis impliziert eine weitestmögliche Kontinuität des Praxisbetriebs. Der Bewerber um die Praxisnachfolge muss die Praxis nicht nur fortführen können, sondern auch fortführen wollen. Fällt die Fortführungsabsicht nach Erteilung der Zulassung als Praxisnachfolgerin weg, sind auch die Zulassungsvoraussetzungen nicht mehr gegeben und die Zulassung ist ggf. zu entziehen.

Nur aus der Nichteinhaltung vertraglicher Abreden kann allerdings nicht auf die fehlende Fortführungsabsicht geschlossen werden. Nach Zulassung einer Praxisnachfolgerin besteht deshalb kein Anspruch auf „Verlängerung“ der mit dem Verzicht beendeten Zulassung, unabhängig davon, ob die Praxisnachfolgerin sich an den Praxiskaufvertrag gebunden fühlt; dies gilt jedenfalls, soweit davon auszugehen ist, dass sie die vertragsärztliche Tätigkeit aufnehmen wird.

Quelle: http://www.wkdis.de/aktuelles/rechtsnews/331827

Überlassung von Inventar eines Pflegeheims als Nebenleistung

Überlassung von Inventar eines Pflegeheims als Nebenleistung

Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.11.2015, V R 37/14
  1. Die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG umfasst die Vermietung möblierter Räume oder Gebäude, wenn es sich um eine auf Dauer angelegte und nicht um eine kurzfristige Überlassung handelt (entgegen Abschn. 4.12.1. Abs. 6 UStAE).
  2. Leistungen, die für die Nutzung einer gemieteten Immobilie nützlich oder sogar notwendig sind, können im Einzelfall entweder Nebenleistungen darstellen oder mit der Vermietung untrennbar verbunden sein und mit dieser eine einheitliche Leistung bilden.
  3. Die Feststellung, ob im konkreten Fall eine einheitliche Leistung vorliegt, obliegt den nationalen Gerichten. Sie ist in der Regel eine Tatsachenwürdigung durch das FG, die den BFH grundsätzlich gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindet.

Im vorliegenden Streitfall verpachtete die Klägerin und Revisionsbeklagte die Immobilie eines Seniorenwohnparks. Zusätzlich wurde auch die Einrichtung des Pflegeheims verpachtet. Hierbei handelte es sich um Pflegebetten und speziell abgestimmte, zum Betrieb des Pflegeheims zwingend erforderliche Ausstattungen.

Die monatliche Pacht betrug für die Immobilie (steuerfrei nach § 4 Nr. 12 UStG) 50.000 € und für das bewegliche Inventar 6.000 € einschließlich der gesetzlichen Umsatzsteuer. Die Verpachtung des Inventars wurde als steuerpflichtiger Umsatz erklärt. Nach einigen Jahren wurde die Verpachtung der Einrichtungsgegenstände einvernehmlich beendet. Die Verpachtung der Immobilie blieb davon unberührt.

Freie Pflegekraft, die als Gutachterin für den MDK tätig ist, Unternehmerin?

Freie Pflegekraft, die als Gutachterin für den MDK tätig ist, Unternehmerin?

Niedersächsisches FG, Urteil vom 25.06.2015, 16 K 222/13, rkr.

Eine laut Vertrag freie Pflegekraft, die für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen (MDKN) die Durchführung von Begutachtungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz vornimmt, ist als Unternehmerin i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG selbständig tätig.

In den Veranlagungszeiträumen 2007 bis 2010 war die Klägerin als Unternehmerin zur Umsatzsteuer veranlagt worden. Die Klage richtete sich gegen die Umsatzsteuer 2010, da sie seit Mitte 2009 nicht mehr selbständig tätig sei, sondern in einem Beschäftigungsverhältnis zum MDK stehe. Seit diesem Zeitpunkt musste sie einen Laptop vom MDK leasen, Touren- und Terminplanung befolgen, die nunmehr vollständig vom MDK erstellt wurden. Honorarabrechnungen waren nach einem vorgeschriebenen Muster monatlich zu erstellen, Urlaub war anzumelden, es bestand Pflicht zur Krankmeldung und Teilnahme von Fortbildungsmaßnahmen des MDK auf eigene Kosten. Ein Urlaubsanspruch oder Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall bestand nicht.

Das Niedersächsische FG kam zum Ergebnis, dass die Gutachterin als freie Pflegekraft Unternehmerin sei, weil

 

  • Eine Vergütung für Ausfallzeiten nicht gezahlt wird, und dies für Selbständigkeit spricht, da sie von einem Vermögensrisiko der Erwerbstätigkeit nicht freigestellt ist.
  • Monatspläne durch den MDK erstellt wurden und dabei Wünsche der Gutachterin in Form eines Standardprofils berücksichtigt wurden. So wurde berücksichtigt, wann der Externe täglich seine Arbeit beginnen wollte und ob es bestimmte Vorgaben für einzelne Wochentage gab.
  • Die Gutachterin keinen Anspruch auf Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hatte.
  • einzelne Umstände, die für ein Angestelltenverhältnis sprechen, wie eine gewisse Einbindung in die Organisation des MDK, die sich allerdings zwangsläufig bereits aus der Notwendigkeit der Koordinierung eines großen Umfangs an Fällen ergab, sowie die Notwendigkeit der Nutzung eines von dem MDK geleasten Laptops hier in den Hintergrund treten.

Keine Abrechnung von Assistenten-Leistungen ohne förmliche Genehmigung der KV

Keine Abrechnung von Assistenten-Leistungen ohne förmliche Genehmigung der KV

SG Marburg vom 02.09.2015, S 16 KA 531/13

Nach § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV ist es formelle Grundlage, dass es die Berechtigung eines Vertragsarztes zur Abrechnung der Leistungen seines Assistenten einer Genehmigung bedarf. Lediglich eine handschriftliche Anzeige der Beschäftigung des Assistenten auf der Sammelerklärung oder eine mündliche Auskunft eines Mitarbeiters der Kassenärztlichen Vereinigung reichen nicht aus.

Grundsätzlich ist der Vertragsarzt nach den Honorarverteilungsverträgen und nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV verpflichtet, die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich auszuüben.

Allerdings eröffnet § 32 Ärzte-ZV unter anderem die Möglichkeit, Assistenten zu beschäftigen. Nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift bedarf die Beschäftigung von Assistenten zur Aus- und Weiterbildung der Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung. Nach Satz 2 der Vorschrift darf der Vertragsarzt einen Assistenten im Übrigen nur beschäftigen, 1. wenn dies im Rahmen der Aus- oder Weiterbildung oder aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung erfolgt, 2. während Zeiten der Erziehung von Kindern bis zu einer Dauer von 36 Monaten, wobei dieser Zeitraum nicht zusammenhängend genommen werden muss, und 3. während der Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung bis zu einer Dauer von sechs Monaten. Auch für die Beschäftigung eines Vertreters oder Assistenten aus diesen Gründen ist nach Satz 4 der Vorschrift die vorherige Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung erforderlich.

Die von Assistenten einschl. Weiterbildungsassistenten erbrachten Leistungen sind den vom Vertragsarzt persönlich erbrachten Leistungen gleichgestellt und werden dementsprechend auch in gleicher Höhe vergütet (vgl. etwa BSG, Urteil vom 17.03.2010, B 6 KA 13/09 R). Nach § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV darf die Beschäftigung eines Assistenten aber nicht der Vergrößerung der Kassenpraxis oder der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs dienen.

Auf ihren Vortrag, sie habe die Namen der jeweiligen Assistenten jeweils auf den Sammelerklärungen vermerkt, kann die Klägerin keine Rechtsposition stützen. Dieser Vortrag war nämlich, wie sich in der mündlichen Verhandlung durch Inaugenscheinnahme der Sammelerklärungen zeigte unwahr.

Nach der Rechtsprechung muss der Betroffene hierfür bereits einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellen und auch das nicht beachten, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (LSG Hessen, Urteil v. 10.02.2012, L 5 R 207/11und Urteil v. 26.8.2011, L 7 AL 156/09 ZVW; BSG, Urteil v. 8.2.2001, B 11 AL 21/00 R, jeweils m.w.N.). Hierbei ist ein subjektiver Maßstab anzulegen. Das Maß der Fahrlässigkeit ist insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit sowie dem Einsichtsvermögen des Beteiligten zu beurteilen (LSG Hessen, Beschluss v. 5.12.2012, L 2 R 80/12und Urteil v. 21.05.2010, L 7 AL 54/10, jeweils m.w.N.).

Unter Zugrundelegung dessen lag bei der Klägerin grobe Fahrlässigkeit vor. Denn als Vertragsärztin hat sie die ihrer Berufsausübung zugrunde liegenden Rechtsvorschriften zu kennen und zu beachten (ständige Rspr., vgl. etwa BSG, Urteil vom 20.03.2013, B 6 KA 17/12 R). Dies gilt im Besonderen für die Vorschriften zur Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit, hier also des § 32 Ärzte-ZV. In ihrer Beratung ist die Kammer nach dem persönlichen Eindruck der Klägerin in der mündlichen Verhandlung im Wege der freien Beweiswürdigung zu der zweifelsfreien Überzeugung gelangt, dass sie positive Kenntnis der Genehmigungspflicht hinsichtlich der Tätigkeit von Assistenten hatte. Dieser Eindruck wird gestützt durch die objektive Tatsache, dass die Klägerin vor den streitgegenständlichen Quartalen, nämlich vor dem 16.04.1999 bereits ein Genehmigungsverfahren durchgeführt hatte und auch nach den hier relevanten Verfahren, noch vor der Plausibilitätsprüfung, wiederum zwei weitere Genehmigungsverfahren durchgeführt hatte. Das gegenteilige Vorbringen bewertete die Kammer als nicht glaubhaft. Die Glaubwürdigkeit der Klägerin hielt das Gericht nach dem persönlichen Eindruck und unter Heranziehung der Tatsache, dass sie im Verfahren falsche Angaben zu den handschriftlichen Vermerken auf den Sammelerklärungen gemacht hatte, für gering.